Den Ernst der Lage sichtbar machen

Aram Tafreshian hat in Cottbus "Das Kraftwerk - Ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit" inszeniert – ein Theaterabend über Energieversorgung, der auf Recherchen des Journalismus-Kollektivs Correctiv basiert.

Interview: Lara Osin

Du hast erst als Schauspieler gearbeitet, jetzt inszenierst du. Wie war dieser Wechsel für dich? 
Aram Tafreshian: Ich war immer sehr interessiert an der Gesamtkonzeption eines Abends. In gewisser Weise sitzen alle im selben Boot. Egal ob Schauspieler*innen oder Regisseur*innen, wir versuchen eine Geschichte zu erzählen. Beim Schauspiel passiert performativ etwas mit einem, der eigene Körper ist im Raum und man erlebt gemeinsam etwas mit diesen Menschen und das macht mir große Freude. Das Tolle an der Regiearbeit wiederum ist, dass alle Fäden bei einem zusammenlaufen und man mit allen Beteiligten eine Fantasie entwickeln kann. Als Regisseur*in kann ich außerdem größeren Einfluss darauf nehmen, wie sich die gemeinsame Zeit gestaltet und wie alle Einzelteile des großen Ganzen zusammenarbeiten. Ich will einen Raum schaffen, in dem sich alle trauen, alles zu sagen, egal in welcher Funktion sie da sind. Ich höre viel auf mein Bauchgefühl, aber manchmal gibt es Momente, in denen eine Entscheidung schwerfällt. Da hilft es immer, auf das kollektive Bauchgefühl zu hören und sich abzustimmen.

Aram Tafreshian (c) Birnbaum und Frame

Eure Inszenierung "Das Kraftwerk – Ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit" basiert auf einer investigativen Recherche des Journalismus-Kollektivs CORRECTIV. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Journalist*innen gestaltet?
Das lief vor allem über Calle Fuhr, den Autor des Stückes. Er macht schon seit mehreren Jahren diese Art von Recherchestücken und hat für die Entwicklung des Stückes intensiv mit CORRECTIV zusammengearbeitet, aber auch selbst mit Menschen aus der Region gesprochen. Bei so einer Art von Recherche ist es, als würde man sich in mehrere Berufe einarbeiten, von denen man eigentlich keine Ahnung hat. Um den Bergbau in seiner Komplexität zu verstehen, muss man zum Beispiel Wassergutachten lesen. Wir standen für diese Arbeit in engem Austausch mit den Journalist*innen, die parallel zur Entwicklung des Stückes immer neue Fakten recherchiert haben. Die Arbeiten haben sich gegenseitig befruchtet, und wir konnten uns mit unseren Fragen immer an das CORRECTIV-Team oder an Calle wenden.

Bei so einer Art von Recherche ist es, als würde man sich in mehrere Berufe einarbeiten, von denen man eigentlich keine Ahnung hat.
Das Kraftwerk – Ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit (c) Bernd Schönberger

Denkst du, das Stück hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für Umweltthemen zu schärfen und auch Veränderungen anzustoßen? 
Das hoffe ich sehr. Wir wollten die Geschichte erzählen, ohne dass es zu einem Vortrag wird. Es gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen auf dieses Thema, denn für viele Menschen birgt der Bergbau viel Faszination. Es ist eine Kunst, das Gestein Schicht für Schicht abzubauen und schließlich wieder so wie vorher aufeinanderzusetzen. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein brutaler Eingriff in unsere Umwelt. Wir wollten alle Sichtweisen verstehen und in das Stück einbauen, gleichzeitig aber eine deutliche Haltung einnehmen. Die Inszenierung und der gleichzeitig von CORRECTIV veröffentlichte Artikel haben einen großen gesellschaftlichen Diskurs mit sich gebracht. Nach jeder Vorstellung gibt es ein Gespräch, die Besucher*innen können von ihren eigenen Erfahrungen mit der Kohleindustrie, der Politik und der Wasserwirtschaft in der Region berichten und so mit anderen in den Diskurs kommen.

Was hat sich seit der Premiere des Stückes in Cottbus verändert? 
Wir waren nur ein winziger, weiterer Baustein neben der Arbeit, die ganz viele großartige Aktivist*innen schon seit Jahren in der Region leisten. Ich habe das Gefühl, durch diese Arbeit und unser Stück ist vielleicht der Ernst der Lage ein wenig sichtbarer geworden. Aus vielen Gründen wird heute mehr über die Zukunft des Wassers in der Lausitz diskutiert, auch auf politischer Ebene. Es wurden Missstände aufgedeckt, und ich habe die Hoffnung, dass durch dieses Projekt die Lobby-Arbeit dieser Konzerne etwas erschwert wurde. Die Menschen sind informierter und können durch dieses Wissen die Erzählungen aus Wirtschaft, Lobby und Politik kritischer hinterfragen.

Mehr zur Autorin

Lara Osin (c) Foto Becker, Ulrich W. Becker e.K.

Lara Osin ist 20 Jahre alt und kommt aus der Nähe von Ulm. Sie studiert Kommunikationswissenschaft an der LMU. Bevor sie nach München gezogen ist, hat sie über 10 Jahre im Freilichttheater in Heidenheim an der Brenz gespielt. Jetzt schreibt sie Artikel bei der Studentenzeitung "Philtrat", vor allem über Kunst und Kultur.