Ein*e Performer*in von "Up your Ass" in Kostüme im Bühnenbild der Produktion

Zwischen Provokation und Albernheit

Nona Demey Gallagher und Lieselot Siddiki inszenieren "Up your Ass" von Valerie Solanas als Geschlechterkurs, der Spaß macht, sich aber hier und da in Albernheit verliert

Text: Luise Otto

Einem Alphamale mit lächerlichem roten Kinderauto wird ein Ei auf die schmierig nach hinten gegelte Frisur geklatscht. Der aufgebrachte Mann, ein Abbild eines Möchtegern-Softboys, der statt "Ficken" "Liebe machen" sagt, aber alle Frauen für dumm hält (auch die, mit der er gerade zusammen ist), läuft zu seinem Auto und holt eine Sprühflasche mit Glasreiniger heraus. Den sprüht er sich auf die Haare und hält weiter seinen Vortrag darüber, dass Frauen das schwächere Geschlecht seien.

Up your Ass (c) Helena Verheye

Sowohl Russel – der Macho-Typ – als auch die Hauptdarstellerin Bongi Perez werden überspitzt dargestellt. So trägt Russel eine Grillschürze mit einem aufgedruckten, muskulösen, nackten Männeroberkörper. Bongi Perez, eine Hardcore-Männergegnerin, trägt einen Pullover, der wie die Amerikaflagge aussieht. Ihre dunklen Haare sind kurz geschnitten. Russel argumentiert: "Zweigeschlechtlichkeit gab es schon immer". "So wie Krankheiten", entgegnet Bongi.

Nona Demey Gallagher und Lieselot Siddiki präsentieren ihre Inszenierung von Valerie Solanas’ "Up your Ass", eine mutige Erstaufführung in Europa, die zwischen Provokation und Albernheit oszilliert und das Publikum in eine abgedrehte Welt voller Klischees und überspitzter Charaktere entführt. Schnell entsteht eine comichaft überzeichnete Welt, in die man durch die vielen Figuren und kurzen Dialoge komplett eintaucht.

Up your Ass (c) Helena Verheye

Auf Leinwandstoff ist eine Hauswand im typischen New York Stil abgedruckt, mit Feuerleitern und Balkonen, in 2D und zum Aufrollen. Oben auf dem Hausdach stehen die beiden Regisseurinnen an Schlagzeug und Keyboard und durchbrechen den Abend immer wieder mit kurzen Musikeinlagen und bringen in ihrer Ekstase das ganze Gerüst zum Wackeln. 

Besonders ulkig wird es, als eine Lehrerin für "kreative Hauswirtschaft" auftritt, in grünem Oberteil und langem Rock. Sie erklärt, dass die Ehe für Frauen bedeutet, einzukaufen, zu kochen, sauberzumachen und Sex zu haben, um den Mann zu befriedigen. Als Ehefrau habe man viele Pflichten und brauche einen festen Verstand und ein festes Herz. Also: ein Herz aus Stein. Vor allem sei die Ehe aber "Fun, fun, fun!", ruft die Lehrerin streng.

Diese Szene zeigt mit ihrer überzogenen Darstellung die Absurdität traditioneller Rollenbilder und stereotypischer Vorstellungen auf.

Die schauspielerische Leistung ist bemerkenswert.

Die schauspielerische Leistung ist bemerkenswert, die vier Darsteller*innen brillieren in ihren vielfältigen Rollen und akkuraten Kostümen, die sie in beeindruckendem Tempo wechseln. Von Kostüm zu Kostüm entwickeln sie immer weitere Figuren auf den amerikanischen Straßen vor dem Haus. Dass die Hauptdarstellerin, eine etwas verbitterte Sexarbeiterin, die eine Cowboyhose mit ausgespartem Hintern und Schritt trägt, darunter nichts an hat, fällt mir gar nicht auf. Erst als sie breitbeinig vor der aufgemalten Hausfassade sitzt, sehe ich es. Es wundert nicht weiter, denn es passt perfekt in die abgedrehte bunte Welt des Stückes.

Up your Ass (c) Helena Verheye

Der ganze Abend wirkt wie eine Collage von Statements, die in unterschiedliche Szenen verwoben wurden. Der Text von Valerie Solanas aus den Sechzigern provoziert zwar, regt aber nicht weiter an und bietet keine neuen Erkenntnisse. Um wirklich etwas auszulösen, hat es trotz vieler gesellschaftswissenschaftlicher Passagen nicht gereicht, dazu hat die bunte Kulisse zu sehr abgelenkt.

Teilweise wird es sehr explizit.

Trotzdem: Das Bühnenbild mit der New Yorker Hauswand und den Regisseurinnen auf dem Dach unterstützt die Atmosphäre des Stücks. Das Einbeziehen von Musikeinlagen trägt zur Dynamik des Abends bei. Teilweise wird es sehr explizit, beispielsweise wenn ein klassisches Pick-Me-Girl einen Kothaufen essen will, weil Männer "mehr Respekt vor Frauen haben, die Scheiße fressen". Irgendwann läuft ein Mann als Kind verkleidet mit roter, gerüschter Babyhaube, Teletubbies-Rucksack, einer blauen Plastikunterhose und heraushängendem Penis über die Bühne und redet darüber, dass dieser verklebt sei, weil er versucht habe, ihn mit Leim steif zu machen. 

Was genau das jetzt mit Geschlechterdiskurs, Feminismus und der ganzen Vorgeschichte zu tun hat, erschließt sich mir zwar nicht, dennoch muss ich über die Albernheit der Szene lachen. Insgesamt ist "Up your Ass" eine Inszenierung, die durch ihre kühne Mischung aus Provokation und Abstrusität besticht, auch wenn einige Szenen unnötig sind.

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Luise Otto (c) Vitus Rettermeier

Luise Otto ist 20 Jahre alt und studiert Theaterwissenschaft an der LMU in München. Sie arbeitet im Kulturressort bei M94,5, dem Münchner Studierendenradiosender. Bei Radikal jung freut sie sich am meisten auf die Arbeit mit anderen jungen Erwachsenen und die Theaterabende, in denen junge Regisseur*innen das Theater für sich einnehmen.

Trailer "Up your Ass"