Ein Foto von Claudia Bossard

Hundemüde!

Die Regisseur*innen der neuen Spielzeit beantworten einen Fragebogen zur Nacht. Diesmal mit Regisseurin Claudia Bossard.

Rubrik

Wann gehst du in der Regel zu Bett?
Sehr häufig kann ich nur nachts denken. Deswegen eher spät. Oder früh, wenn ich nicht (mehr) denken will.

Fällt es dir leicht, in den Schlaf zu finden? Was machst du, wenn du nicht schlafen kannst?
Unterschiedlich. Grundsätzlich am liebsten triviale Dinge: Youtube-Videos in Endlosschlaufe oder aus dem Fenster schauen und keine Wolken suchen.

"Eine Nacht drüber schlafen" – hilft dir das bei schwierigen Entscheidungen?
Auf jeden Fall. In dieser Zeit dazwischen liegt eine Lücke, in der sich Details grundsätzlich nochmals neu strukturieren und positionieren können. Und plötzlich wacht man auf und denkt sich, oh, doch, der "Fisch" im vierten Nebensatz in der achten Szene hinten links unten am Rand im redundanten Akt Vier, muss jetzt doch in Echtform vom Himmel fallen. 

Regisseurin Claudia Bossard

Arbeiten im Theater blockiert viele Abende. Nervt dich das manchmal?
Über diese strukturelle, institutionelle Tatsache der Theaterarbeit hab ich mir noch nie Gedanken gemacht, vielleicht auch weil Theaterabende in meiner Fantasie immer abends stattfanden. Vielleicht ist das eh so eine perfekte Kombination, wie Tomaten und Basilikum, weil "ein Abend", auch eine Daumenkino von Momenten hin zur Nacht ist. Für das Licht beispielsweise ist der Abend ja frappant untergehend und viel Arbeit, so viel an Strahlen müssen abgeschafft und abgezogen werden. Theater ist  eine Momentaufnahme und in diesem einen Augenblick komplett authentisch, wie das Abschaffen der Lichtstrahlen durch den Power der Nacht... und da kann jederzeit ein Aufstand passieren.

Von was hast du zuletzt geträumt? Erinnerst du dich an deine Träume?
Dass der Stein von Sisyphos in Wirklichkeit eine graue Zuckerwatte ist und kein Felsbrocken.

Welchen Traum hast du dir zuletzt verwirklicht? Welchen Traum würdest du gern verwirklichen?
Ich hab einen Silikonfisch von der Empore, mit voller Wucht, auf den Bühnenboden fallen und knallen lassen. Noch viel mehr Fische, die aus den Emporen, dem eigentlichen Theaterhimmel, auf die Bühnen, den Boden fallen.

Bist du nachts besonders kreativ?
Wahrscheinlich eher assoziationsfreudig. Ich lade gerne tausend Gedanken zu mir in die Wohnung ein. Dieser komische Beruf des Inszenierens ist auch ein Diskutieren mit Zeichen, Thesen und vermeintlichen Ist-Zuständen und mit am Tisch dann immer auch die Intuition, der Größenwahnsinn, die Selbstreflexion und -Kritik. Vielleicht funktionieren diese nächtlichen Assoziationsrunden wirklich am besten, wenn die Maschinen schlafen, dann ist zumindest ein bisschen Ruhe. Es schlafen natürlich niemals alle Maschinen gleichzeitig, dass ist mir schon klar, in Spitälern und in Bangladesh laufen arbeiten die ja durch und die Flugzeuge fliegen nachts auch kreuz und quer herum und deren Licht- und Kerosinstrahlen verdampfen dann im Nichts und in diesen Fällen dann tragischerweise selten mit Aufständen.

Bist du schon mal schlafgewandelt?
Ich hab im Schlaf schon dirigiert und Autofahrer angeflucht und sicher auch inszeniert. Furchtbar ist das. Es hört nie auf.

Claudia Bossards nächste Inszenierung "Feeling Faust" nach Johann Wolfgang von Goethe ist ab 28. Oktober 2022 im Münchner Volkstheater zu sehen.