Ein Portraitbild von Theresa Thomasberger

Machtverlust im Pizzakarton

Theresa Thomasberger hat sich für ihren Theaterabend "Männerphantasien" über tausend Seiten Text von Klaus Theweleit vorgenommen – und einiges an Komik darin entdeckt.

Interview: Luise Otto

"Männerphantasien" basiert auf einem Buch. Wie kommt es, dass du einen Text, der vor über vierzig Jahre verfasst wurde, nimmst und einen Theaterabend daraus machen möchtest?
Theresa Thomasberger: Es ist ja nicht nur ein Buch, es ist ein theoretischer Text von 1300 Seiten. Ich war sehr überrascht von der Aktualität der Analyse, die Klaus Theweleit vorgenommen hat. Es geht um Männlichkeit und Faschismus und darum, was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben. Mit vielen Erweiterungen, Ergänzungen und Anpassungen ist der Text auch für den heutigen Status quo sehr wertvoll. Trotzdem ist es auch ein absurdes Projekt. Ich werde oft darauf angesprochen, was die Analysen von einem älteren Herren mit meiner Arbeit zu tun haben.

Wie hast du diesen Text näher zu dir geholt?
Wir haben drei zeitgenössische Autorinnen gebeten, Positionen zu diesen Themen zu verfassen. Svenja Viola Bungarten, Ivana Sokola und Gerhild Steinbuch haben jeweils einen szenischen Text hinzugefügt. Das heißt, es gibt jetzt drei szenische Texte und eine Montage von Texten aus dem Buch von Klaus Theweleit.

Theresa Thomasberger (c) Paulina Hildesheim
Alle Spieler*innen verkörpern jeweils einen Bro

Für Theweleit spielen die Körper und Körperlichkeit eine große Rolle. Wie habt ihr diese Themen behandelt?
Ich glaube, das perfide ist, dass Faschos heute eben nicht mehr so aussehen wie sie damals vielleicht noch ausgesehen haben und wie wir auch teilweise noch immer glauben, dass sie aussehen. Toxische Männlichkeit ist ein Spektrum, und wir haben uns dazu entschieden, mit den softesten, den zivilen Männlichkeiten anzufangen.

Männerphantasien (c) Schuller

Auf der Bühne stehen fünf Schauspieler*innen. Wen spielen sie?
Alle Spieler*innen verkörpern jeweils einen Bro, wie wir sie genannt haben. Und diese Bros kommen schon mit Körperlichkeiten daher. Das sind aber eben nicht irgendwelche mordenden Monster, die man aus der Zeitung kennt: Das sind Leute, denen man die ganze Zeit auf der Straße begegnet oder die Teil der eigenen Familie sind, also Männer, die man kennt und vielleicht auch mag.

Wo begegnen sich diese Männer?
Der Raum ist sehr gesetzt. Mirjam Schaal, die Bühnen- und Kostümbildnerin, hat erstmal einen großen Raum erschaffen, der so eine Art assoziatives World-of-Warcraft-Walhalla ist. Da gibt es ganz viele Referenzen auf faschistische Ästhetiken. Es gibt da so vaporwaveartig bearbeitete Caspar-David-Friedrich-Bilder, die ein Verweis auf die deutsche Romantik sind und den Naturbegriff, der für die deutschen Faschisten so wahnsinnig wichtig ist. Der deutsche Wald und der deutsche Berg… Das alles analysiert auch Theweleit.

Es ist kein Abend, der belehren oder didaktisch daherkommen will, wir wollten eine Erfahrung und eine Nähe schaffen.

Ich habe Bilder gesehen von einer riesigen Pizzaschachtel. Was hat es damit auf sich?
Das ist der Pizzakarton von Andrew Tate, der hat einen Auftritt bei uns. Es gibt diese Twitterlegende, dass anhand einer Pizzalieferung der Aufenthaltsort von Andrew Tate (einem frauenfeindlichen Influencer, Anm. d. Red.) von der rumänischen Polizei ausgemacht werden konnte. Außerdem ist es ein doppelter Trick: Einerseits ist es tatsächlich etwas, das es in seinem Leben gibt. Gleichzeitig hat uns das sehr gefallen, dass, wenn wir ihm schon eine Bühne geben, er wie in so einer Art Kasperletheater steckt. Er gibt seine Thesen preis, aber kann dabei den Pizzakarton nicht verlassen So ist er auch ein bisschen entmachtet.

Männerphantasien (c) Schuller

Wenn man raus geht aus dem Stück, denkt man eher, "das war jetzt lustig, ein guter Abend" oder bleibt einem das Lachen im Halse stecken? Wie sind die Reaktionen?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Stellen, an denen gelacht wird. Ich wollte, dass man lacht und dass man auch eingeladen ist zu lachen. Ich glaube, Lachen ist ein guter Modus, der Nähe herstellt. Und genau das wollten wir. Wir wollten nicht 1300 Seiten Theorievorlesungen. Es ist kein Abend, der belehren oder didaktisch daherkommen will, wir wollten eine Erfahrung und eine Nähe schaffen. Wir wollten, dass man das an sich heranlässt. Diese ganze Dunkelheit.

Mehr zur Autorin

Luise Otto (c) Vitus Rettermeier

Luise Otto ist 20 Jahre alt und studiert Theaterwissenschaft an der LMU in München. Sie arbeitet im Kulturressort bei M94,5, dem Münchner Studierendenradiosender. Bei Radikal Jung freut sie sich am meisten auf die Arbeit mit anderen jungen Erwachsenen und die Theaterabende, in denen junge Regisseur*innen das Theater für sich einnehmen.