Das Ensemble in Tierkostümen auf der Bühne zu "Animal Farm"

"Man muss einen Weg finden, dass das Tier in seiner Bewegung gezeigt wird ohne zur Karikatur zu werden."

Ein Gespräch mit Jenny Schinkler über ihre choreographische Arbeit für "Animal Farm"

Autorin: Nina Mohs

Jenny Schinkler sitzt auf einer Steinmauer vor dem Münchner Volkstheater. Gut, dass wir uns für die frische Luft entschieden hätten, merkt sie schmunzelnd an – "in den Probenräumen vergisst man manchmal, wie es eigentlich ist, draußen zu sein". Für die schwedische Tänzerin und Choreographin stehen gerade ein paar sehr spannende Probentage an, nicht nur, weil es die letzten vor der Premiere sind, nein, vor allem, weil am Abend die erste Probe im Kostüm stattfindet.

Jakob Immervoll in Animal Farm (c) Judith Buss

Geprobt wird für das Stück "Animal Farm", nach einer Fabel von George Orwell aus dem Jahr 1945. Unter der Regie von Sapir Heller, choreographiert Schinkler nun schon seit Dezember gemeinsam mit dem Ensemble die Bewegungen der aufständischen Tiere, die nach einer Revolution gegen den Menschen, selbst an der Umsetzung des Wunsches nach gesellschaftlicher Gleichheit scheitern.  

Man müsse jetzt mal schauen, wie das mit den Kostümen so funktioniere, erklärt Jenny Schinkler. "Die Tiere kuscheln teilweise ihre Köpfe aneinander und da müssen die Masken gut halten". Mit den Masken meint Schinkler das aufwendige Kostüm von Anna van Leen: Tiermasken mit Schweinsohren, Perücken für Pferde, extrem hohe Schuhe – jedes Tier am Bauernhof bekommt seine eigene Ausstattung. Aber es sind nicht nur die Masken, die Jenny Schinklers Arbeit für das Stück besonders machen.

Man muss einen Weg finden, dass das Tier in seiner Bewegung gezeigt wird ohne zur Karikatur zu werden.

Es ist ihr erstes Mal am Münchner Volkstheater und ihre bisher größte Produktion, noch dazu mit nicht professionellen Tänzer*innen. Für sie eine sehr erfüllende Erfahrung, denn die Schauspieler*innen würden nicht wie ausgebildete Tänzer*innen ihre Bewegungen kopieren, sondern von Beginn an variieren und einen individuellen Charakter suchen. Bewegung und Figur müssten nun gleichzeitig entwickelt werden, was die Zusammenarbeit mit Dramaturgie und Regie noch viel intensiver mache, erklärt sie. "Man muss einen Weg finden, dass das Tier in seiner Bewegung gezeigt wird, aber nicht zur Karikatur wird".

Ensemble (c) Judith Buss

Die Pferde beispielsweise seien elegante, erhabene Tiere, die von der Haltung dem Menschen nicht unähnlich seien, aber sich natürlich trotzdem in ihrer Bewegung unterscheiden. Jenny Schinkler wedelt mit den Händen, bringt sich selbst in die Haltung des Tieres. "Es ist so schwer über Bewegungen zu sprechen", lacht sie. Man müsse eben eine Grenze zwischen Tiersein und Menschsein finden, damit die Figuren nicht überzogen wirken.

Für ihre Recherche schaut Jenny Schinkler stundenlang YouTube-Videos mit Tierbewegungen. Auf allen möglichen Kanälen schaut sie Pferden, Schweinen und Kühen dabei zu, wie ihre einzelnen Körperteile in ihren Bewegungen zueinanderstehen. Die schwersten Tiere aber seien in der Choreographie definitiv die Schweine gewesen. "Die sind wie lange Würste mit kleinen Beinchen" und ihr kurzer Hals würde viele Bewegungen einschränken. Zwar waren sie am Anfang der Produktion sogar auf einem Bauernhof mit Führung, um Inspiration für die Figuren zu sammeln, doch die Tiere hätten sich lediglich für ein paar Snacks erhoben, um dann wieder in der Gegend rumzuliegen.
Statt Bauernhof, also YouTube  -  und auch hier hat Jenny Schinkler mit ihrer Choreographie und Bewegungsarbeit einen Weg gefunden, um sogar den Würsten auf vier Beinen Raum für einen individuellen Charakter zu geben.

Jenny Schinklers Arbeit ist zur Uraufführung von "Animal Farm" ab dem 12. Februar 2022 am Münchner Volkstheater zu sehen. Vorstellungstermine finden Sie hier.