Ein Haufen Spielpläne und Programmhefte

Orchestrieren im Hintergrund

Der Beruf der Dramaturgie ist ein unverzichtbarer Teil der Theaterarbeit. Doch wie der Arbeitsalltag genau aussieht, wissen nur die wenigsten. Ein Gespräch mit Dramaturgin Katja Friedrich.

Autor: Tobias Obermeier

Was man denn im eigenen Beruf so alles macht, das ist eine oft gestellte Frage. Aber es gibt gewisse Berufe, unter denen sich viele kaum etwas bis gar nichts vorstellen können. Zu ihnen gehört der von Katja Friedrich: "Ich werde wirklich ständig gefragt, was ich eigentlich mache." Friedrich arbeitet als Dramaturgin am Münchner Volkstheater und ist es gewohnt, diese Frage zu beantworten. Die Vorstellungen mancher Menschen treiben dabei seltsame Blüten: "Die witzigste Geschichte ist die, dass jemand mal gedacht hat, Dramaturgin sei ein medizinischer Beruf."

Die meisten, denen ich sage, was ich mache, denken sofort, ich schreibe Stücke und wäre eine Autorin.

Und wiederum viele von denjenigen, die mit der Arbeit der Dramaturgin etwas anfangen können, denken zwar in die richtige Richtung, liegen aber dennoch falsch: "Die meisten, denen ich sage, was ich mache, denken sofort, ich schreibe Stücke und wäre eine Autorin." Die Bezeichnungen Dramaturgin und Dramatikerin klingen leider auch zum verwechseln ähnlich. Dramaturg*innen im heutigen Sinn gibt es auch erst seit knapp 100 Jahren, als der moderne Regisseur in Erscheinung trat und die Arbeitsteilung in den großen Theaterhäusern immer wichtiger wurde. Zuvor waren Regie und Dramaturgie nicht selten in einer Person vereint.

Katja Friedrich im Gespräch mit Tobias Obermeier

Hört man Katja Friedrich dabei zu, wie sie von ihrem Arbeitsalltag erzählt, versteht man ein stückweit die Schwierigkeit, ihren Beruf zu greifen. Ihre Tätigkeit ist so vielfältig wie umfangreich. Als eine von vier Dramaturg*innen am Münchner Volkstheater ist sie künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lektorin, Beraterin und Ideengeberin. Sie erstellt Spielpläne, wählt Stücke aus, wälzt Bücher, führt Interviews und stellt Produktionsteams zusammen. Hinzu kommen die Programmhefte, die auch von der Dramaturgie geschrieben und redigiert werden.

Man könnte die Arbeit der besseren Übersicht halber auch in zwei Bereiche aufteilen: einen strategischen und eine operativen. Bei ersterem wird in Zusammenarbeit mit dem Intendanten Christian Stückl und dem Leitungsteam überlegt, welche Regisseur*innen im Haus arbeiten, welche Themen und welche Stücke gezeigt werden sollen. Dabei ist auch ein besonderer Aspekt des Hauses entscheidend: "Christian Stückl arbeitet ja sehr gerne mit jungen Regisseur*innen zusammen. Das heißt, dass wir die auch irgendwo scouten müssen. Wir schauen uns viele Sachen an und überlegen, wer für unser Haus interessant sein kann. Das ist der strategische Bereich. Zu schauen, wie die künstlerische Ausrichtung des Hauses sein soll."

Es gibt ja einen bestimmten Grund dafür, dass das Stück bis heute ein Klassiker auf den Theaterbühnen ist. Und das versucht man herauszuarbeiten. An was reiben wir uns heute noch?
Das Programmheft zu "Der Menschenfeind"

Die wesentliche Arbeit ist jedoch die operative. Das heißt, die Arbeit an den jeweiligen Produktionen, die immer dramaturgisch begleitet werden. Katja Friedrich arbeitet momentan an "Der Menschenfeind" in der Regie von Philipp Arnold. Ist das Stück erstmal ausgewählt, fängt die Dramaturgie an, sich zu überlegen, welche Themen heutzutage noch interessant sein könnten. Was will man aus dem Text herausschälen und an welchen Stellen kann dafür gekürzt werden? "Wenn man einen historischen Stoff verwendet, wird es am Anfang sehr literaturwissenschaftlich. Da geht man auf die Suche nach entsprechender Sekundärliteratur, um herauszufinden, was das Stück in seiner Zeit eigentlich war und was man davon nach heute transferieren kann", so Friedrich.

Aber es werden natürlich nicht nur historische Stücke inszeniert. Bei zeitgenössischen Stoffen, Romanadaptionen oder Stückentwicklungen sieht die Arbeit wieder ganz anders aus. Bei "Unser Fleisch, unser Blut" von Jessica Glause zum Beispiel war zunächst nur die Idee da, eine Inszenierung über den Schlachthof zu machen. Und das ist dramaturgisch aufwendiger, weil keine Textgrundlage vorhanden ist. Zusammen mit der Regie hat Friedrich viel überlegt, was sie erzählen und wen sie dafür interviewen möchten. "Das ist schon eine ganz andere Arbeit. Aber jedes Projekt ist anders und das ist das tolle an diesem Beruf."

Noch bevor "Der Menschenfeind" seine Premiere feiern wird, laufen schon längst die Arbeiten für die nächsten Produktionen. Denn das ist ein notwendiger Teil der Dramaturgie: alle Arbeiten parallel machen. "Während den Proben, bin ich im Kopf schon wieder in einer anderen Produktion, die ich vorbereiten muss. Wir müssen Stückfindung, Strichfassung, inhaltliche Konzeption und auch die Besetzung machen. All diese Dinge müssen wir dann auch mit Blick auf die ganze Spielzeit zusammenfügen, damit alles ineinander greift." Man merkt, Dramaturg*innen sind unverzichtbar. Ohne sie läuft nichts am Theater.