"Anfangs waren alle etwas panisch, als sie hörten, dass wir Wasser einsetzen wollen"
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Interview: Julia Rothhaas
Das Buch von Branden Jacobs-Jenkins, auf dem das Stück "Appropriate (Was sich gehört)" basiert, spielt eigentlich im Haus einer Familie im US-Bundesstaat Arkansas. Für diese Inszenierung aber zieht die Handlung vor das Haus. Warum?
Stefan Hageneier: Ich habe mich viel damit beschäftigt, wie man dieses Haus darstellen kann, das so aufgeladen ist von seiner düsteren Geschichte, und gemerkt, wie fasziniert ich von seinem "Umraum" bin, also dem, was vor der Tür zu finden ist: dem Sumpf und dem Wald mit den ewig zirpenden Zikaden. In der amerikanischen Aufführungspraxis wird ein Stück oft ziemlich realistisch, fast fernsehartig umgesetzt, davon wollte ich allerdings weg. Denn wenn nicht alles eins zu eins ins Bild gesetzt wird, gestaltet sich die Spielweise viel freier und auch für die Zuschauer ist ein Stück oft stärker, wenn man nicht alles nachbaut. So sind wir dann vor dem Haus gelandet.
Bei "Appropriate" wird es auch Wasser auf der Bühne geben. Das gilt eigentlich als der totale Super-Gau am Theater, oder?
Absolut. Anfangs waren alle etwas panisch, als sie hörten, dass wir Wasser einsetzen wollen. Immerhin hatten wir im November 2021 einen Wasserschaden am Münchner Volkstheater, als eine Sprühflutlöschanlage aus Versehen ausgelöst und dadurch mehrere technische Anlagen beschädigt wurden. Aber wir haben hier natürlich entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit wirklich nichts schieflaufen kann.
Es ist ein schmaler Grat, auf der einen Seite konkrete Spielsituationen zu schaffen für so ein realistisches Stück, und gleichzeitig nicht zu platt zu werden.
Ist das Wasser als Teil der Sumpflandschaft auch symbolisch zu verstehen?
Wir arbeiten immer sehr vom Stück aus, die Ästhetik richtet sich nach dem Inhalt. Mir war in diesem Fall recht schnell klar, dass man das noch mal mehr aufladen muss, über die Konflikte der Figuren, über das Familiendrama hinaus. Es ist ein schmaler Grat, auf der einen Seite konkrete Spielsituationen zu schaffen für so ein realistisches Stück, und gleichzeitig nicht zu platt zu werden. Deswegen rede ich eigentlich ungern darüber, ob etwas tatsächlich als Symbol gedacht ist. Aber hier liegt es auf der Hand.
Wie muss man sich den Prozess vorstellen, bis du dich für ein Bühnenbild entschieden hast?
Nach dem Lesen des Stücks lasse ich den Stoff immer erstmal sacken. Ich arbeite seit vielen Jahren mit Christian Stückl zusammen, das läuft meist recht nonverbal ab, weil wir uns schon so lange kennen. Meist komme ich immer erst zu ihm, wenn eine Überlegung zu einem Stück, das er inszeniert, bereits sehr konkret ist. Dass man bei "Appropriate" das Haus bzw. die Innenräume weglassen kann, darüber waren wir uns sehr schnell einig.
Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?
Seit 1990, da war ich 17 Jahre alt und habe das erste Mal bei der Passion in Oberammergau mitgespielt. Unser erstes gemeinsames Stück am Münchner Volkstheater, bei dem ich das Bühnenbild gestaltet habe, war schließlich die "Dreigroschenoper". Aber weil wir gerade über Wasser gesprochen haben: "Appropriate" ist nicht das erste Mal, dass ich mit Christian eine Bühne nass mache.
Ach ja?
Es ist bestimmt zehn Jahre her, da haben wir zusammen das Stück "Merlin" in Zürich gemacht. In dem Fall war es ziemlich anspruchsvoll, weil Merlin aus dem Wasser auftauchen sollte. Dafür musste es entsprechend tief sein, allerdings nur an einer Stelle. Aber eigentlich gehört so etwas zu den Bühnengeheimnissen, die man nicht verraten darf.

Gibt es ein Bühnenbild, dass du immer schon mal machen wolltest, sich aber nie umsetzen ließ?
Es passiert immer mal wieder, dass die Konzeption für ein Stück einfach technisch zu aufwendig und kompliziert ist. Oder zu teuer. Aber tatsächlich wollte ich schon immer einen Raum schaffen, der sich in Höhe und Breite vergrößern und verkleinern lässt, wie bei einer Kameralinse. Und tatsächlich kann ich das jetzt endlich mal umsetzen, allerdings nicht in München, sondern in Stuttgart.
"Appropriate (Was sich gehört)" von Branden Jacobs-Jenkins in Regie von Christian Stückl ist ab dem 31. Oktober 2025 auf Bühne 1 des Münchner Volkstheaters zu erleben.