"Das war der Moment, an dem ich mein Herz endgültig ans Theater verloren habe."

Was machen eigentlich Assistent*innen am Münchner Volkstheater? Wir haben nachgefragt: bei Rebecca Fischer, Regieassistentin, und Julie Fritsch, Ausstattungsassistentin.

Interview: Julia Rothhaas

Rebecca, du bist Regieassistentin. Viele Menschen jenseits des Theaterbetriebs können sich darunter nur wenig vorstellen. Erklärst du bitte, was du machst?
Rebecca Fischer: Ich betreue alle Proben und Vorstellungen der Produktionen, für die ich verantwortlich bin. Das bedeutet zum Beispiel: Die aktuelle Textfassung für alle Beteiligten ausdrucken, im Regiebuch jedes Detail, das später auf der Bühne zu sehen sein wird, notieren, also auch Requisiten und Umzüge. Ich erstelle Wochenpläne und verteile alle relevanten Infos an die Gewerke, die an einer Produktion beteiligt sind. Soll eine Person etwa auf der Bühne fliegen, muss sie vorab zum Arzt geschickt werden; das Fliegen selbst muss dann zusammen mit Technik, Licht, Kostüm und Maske geprobt werden.

Sprich: Du bist perfekt in Sachen Organisation?
Fischer: Tatsächlich muss ich viel im Kopf behalten: Sperrtermine des Ensembles, Ruhe- und Nachtruhezeiten, den laufenden Repertoire-Betrieb, die Termine für die Anproben, die Abläufe in den Gewerken. Diese alltäglichen Abfolgen müssen in Einklang mit dem aktuellen Proben-Prozess gebracht werden.

Regieassistentin Rebecca Fischer
Das ist unser Job: vermitteln und versuchen, dass alle einigermaßen zufrieden sind.
Rebecca Fischer
Ausstattungsassistentin Julie Fritsch

Wie ist das in der Ausstattungsassistenz, Julie?
Julie Fritsch: Ich fungiere ähnlich wie Rebecca als Schnittstelle zwischen dem künstlerischen Team, also den Bühnen- und Kostümbildner*innen, und den Werkstätten sowie dem Probenprozess. Ich behalte alles im Blick, organisiere also Termine für die Anproben, recherchiere und besorge Requisiten und Kostümteile, außerdem betreue ich die Kostüme und das Bühnenbild für die Proben. Wie viel an Arbeit anfällt, hängt von der jeweiligen Produktion ab: Gibt es ein Kostüm oder mehrere und wie viele Requisiten, wie aufwändig ist das Bühnenbild, verändert sich das häufig? Zu meinen Aufgaben gehört aber auch, die Kostüm- und Requisitenliste zu erstellen sowie ein Szenarium.

Was ist ein Szenarium?
Fritsch: Das ist eine Liste, in der alles notiert wird, was im Laufe eines Stückes auf der Bühne passiert: Wer ist auf der Bühne, was geschieht in einer Szene, welche Requisiten werden bespielt, wann findet ein Kostümwechsel statt. Dieses Szenario geht vor allem an die Assistierenden, damit sie den Überblick behalten können. Allerdings betreue ich anders als Rebecca nicht mehr die Vorstellungen selbst. Ich bin nur bis zur Premiere eingespannt, dann übernehmen andere.

Das Schöne an diesem Haus ist, dass wir uns gegenseitig auffangen, wenn mal etwas nicht so gut gelaufen ist.
Julie Fritsch

Das klingt alles ziemlich anstrengend. Was sind die größten Herausforderungen in euren Jobs?
Fritsch: Als Ausstattungsassistentin bin ich die Schnittstelle und damit der Puffer. Obwohl ich diejenige bin, die manchmal schlechte Nachrichten überbringen muss, weiß ich, dass nicht jede womöglich emotionale Reaktion darauf etwas mit mir zu tun hat. Ich versuche, nichts zu nah an mich heranzulassen.

Gelingt das immer?
Fritsch: Mal so, mal so. Aber das Schöne an diesem Haus ist, dass wir uns gegenseitig auffangen, wenn mal etwas nicht so gut gelaufen ist. Untereinander wissen wir ja, wie stressig es manchmal sein kann.

Rebecca, was empfindest du als besonders herausfordernd?
Fischer: Ich finde es faszinierend, dass die Kommunikation unser Hauptjob ist und in Stresssituationen genau dort die meisten Fehler entstehen. Einfach, weil man so viele verschiedene Menschen mit so vielen verschiedenen Bedürfnissen um sich hat. Manchmal entsteht auch Reibung, weil der Blick auf das Gleiche oft ein anderer ist. Sich dann in der Mitte zu treffen, ist manchmal gar nicht so einfach. Aber genau das ist unser Job: vermitteln und versuchen, dass alle einigermaßen zufrieden sind.

Woher kannst du das? War Organisation Teil deines Studiums?
Fischer: Nein, ich habe Theaterwissenschaft und Kunst, Musik, Theater an der LMU in München studiert, das war sehr wissenschaftlich. Während meines Studiums habe ich aber häufig assistiert und dabei enorm viel gelernt. Ich glaube, je länger man mit den gleichen Leuten zusammenarbeitet, desto besser wird auch die Kommunikation.

Am Ende steht ein Ergebnis, das alle oftmals überrascht.
Rebecca Fischer
Eine Requisite wird silber bemalt.

Detailarbeit (c) Julie Fritsch

Ein Regiebuch auf einem Inspizienzpult

Das Regiebuch von "GREY" auf dem Inspizienzpult (c) Rebecca Fischer

Probenfoto von "Frankenstein"

Proben für "Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung" (c) Rebecca Fischer

Ein ordentlich sortiertes Stoffregal

Die Qual der Wahl (c) Rebecca Fischer

Zettelchaos auf der Probebühne

Eine Probenfassung für "Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung" (c) Julie Fritsch

Und was macht euch in euren Job am meisten Spaß?
Fritsch: Die Arbeit im Team und überhaupt mit Menschen. Das ist auch der Grund, warum ich am Theater gelandet bin: Weil so viele unterschiedliche Disziplinen zusammenkommen und hoffentlich gemeinsam etwas Schönes schaffen. Dann macht es selbst in stressigen Zeiten Spaß.

Fischer: Da geht es mir ähnlich wie Julie. Ich finde es einfach total toll, wenn so viele verschiedene Menschen hochkonzentriert an dem Gleichen arbeiten, man jeden Tag den Fortschritt sehen kann und merkt, wie auf einmal alles zusammenpasst. Am Ende steht ein Ergebnis, das alle oftmals überrascht.

Ich freue mich bereits darauf, wenn ich meine eigenen Kostümbilder entwerfen kann.
Julie Fritsch

Ist eine Assistenzstelle eher eine Zwischenstation oder etwas für längere Zeit?
Fischer: Ich glaube, ich spreche für uns beide: Auf längere Sicht möchten wir lieber selbstständig künstlerisch arbeiten. Aber ich sehe die Regieassistenz als Teil meiner Ausbildung, als Lernprozess. Ich kann unterschiedliche Teams beobachten, das, was mir gefällt, von ihnen übernehmen, und aus ihren Fehlern lernen. Ich denke, dass mir das später weiterhelfen wird.

Und du, Julie?
Fritsch: Für mich ist das auch nur eine Zwischenstation. Ich habe Kostümbild studiert und merke jetzt schon, dass mir die eigene künstlerische Freiheit ein wenig fehlt – obwohl mir der Job auch Spaß macht. Aber assistieren ist eben mehr zuarbeiten. Ich freue mich bereits darauf, wenn ich meine eigenen Kostümbilder entwerfen kann.

Silikonmasken und -hände

Das "Material" von Viktor Frankenstein (c) Julie Fritsch

Lena Brückner wird im Schloss Nymphenburg gefilmt

Dreharbeiten für "Unsterblichkeit" (c) Rebecca Fischer

Kameraperspektiven auf dem Inspizienzpult

Perspektiven auf "Fabian" (c) Rebecca Fischer

Zwei Paar goldene Sandalen-Heels

Glitz & Glam kommt in verschiedenen Größen (c) Julie Fritsch

Zwei Schüsseln Pombären auf einem Tisch.

Premierennahrung für das Team von "Frankenstein" (c) Rebecca Fischer

Rebecca Fischer trägt eine Kissenartige Attrappe auf ihrem Kopf, nur ihr Gesicht ist noch frei.

Ein vielseitiger Beruf - die Assistenz am Theater (c) Rebecca Fischer

Wie sah dein Weg ins Theater eigentlich aus, Julie?
Fritsch: Ich war vor sechs Jahren vor meinem Studium schon mal als Hospitantin hier, am alten Haus, bei der Produktion von "Alles weitere kennen Sie aus dem Kino" von Mirja Biel. Bei meinem Vorstellungsgespräch vor eineinhalb Jahren war das lustig, weil die Kolleg*innen aus der Schneiderei zu mir sagten: "Wir kennen uns doch!"

Wie war das bei dir, Rebecca?
Fischer: Mit dem Münchner Volkstheater verbindet mich ebenfalls eine längere Geschichte, weil ich mit 15 mein erstes Praktikum am Haus gemacht habe, damals noch in der Brienner Straße. Ich war so fasziniert von dem Theaterbetrieb, dass ich bleiben wollte. Also bin ich in den Jugendclub eingetreten, später habe ich immer mal wieder verschiedene Praktika am Haus gemacht. Das Stück, an das ich mich am besten erinnere, war "Der Sturm" unter der Regie von Christian Stückl. Da durfte ich während einer Vorstellung in den Seilboden steigen und von oben künstlichen Schnee auf die Bühne rieseln lassen. Das war der Moment, an dem ich mein Herz endgültig ans Theater verloren habe.

 

Rebecca Fischer, 22 Jahre alt, ist Regieassistentin und seit der Spielzeit 2024/2025 am Münchner Volkstheater.
Julie Fritsch, 27 Jahre alt, ist Ausstattungsassistentin und seit der Spielzeit 2024/2025 am Münchner Volkstheater.