"Ich hätte gerne einen echten Blitz im Stück gehabt."
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Interview: Julia Rothhaas
Mary Shelley begann ihren Roman "Frankenstein" im Alter von 18 Jahren zu schreiben, das war 1816, einem Jahr, das als "Jahr ohne Sommer" bekannt wurde, weil der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora selbst in Europa gravierende Auswirkungen auf das Wetter hatte. Hast du den Roman gelesen, bevor du dich an deine Arbeit für die Inszenierung von "Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung" am Münchner Volkstheater gemacht hast?
LILI ANSCHÜTZ: Ja, ich war sehr beeindruckt von der Autorin, die ihrer Zeit weit voraus war, selbst politisch. Bevor ich den Roman das erste Mal las, hatte ich diese ganzen Frankenstein-Filme im Kopf, und war überrascht, wie fern das Buch davon eigentlich ist. Während des Lesens war ich hingerissen von Shelleys Naturbeobachtungen, daher war es mein Wunsch, diese auch auf der Bühne abzubilden. Schließlich spielt das Wetter ja auch für uns eine große Rolle: Die Klimakatastrophe wird sich durch die sozialen, strukturellen und politischen Konflikte weiter verschärfen.
Wie schafft man es, unterschiedliche Wetterphänomene auf die Bühne zu bringen?
Es ist eine große Reise, die Frankenstein und seine Kreatur in dem Stück zurücklegen, eine Art Verfolgungsjagd. Die beginnt im Roman in der Arktis und endet auch dort, deswegen war es mir wichtig, Schnee in das Stück einzubauen.
Wie stellt man künstlichen Schnee bestmöglich dar?
Das sind kleine Flocken aus nicht-brennbarem Papier, die im Scheinwerferlicht entsprechend leuchten. Gelagert wird er in einem Netz, das zwischen zwei Zügen im Bühnenhimmel hängt. Wenn man die Züge bewegt, rieseln die Flöckchen langsam zu Boden.
Kann man den Schnee nach der Vorstellung wiederverwenden?
Mir ist es grundsätzlich ein großes Anliegen, Nachhaltigkeit im Theater zu fördern. An einigen Häusern gibt es inzwischen Maschinen, die solche Materialien nach Gebrauch aufarbeiten. Die Papierfetzen werden dann durch ein Gebläse gejagt, damit die schwereren Schmutzpartikel herausgeschüttelt werden können. Bei "Frankenstein" sind wir derzeit noch in der Probephase und müssen gucken, ob wir den Schnee auch für mehrere Aufführungen nutzen können.
Gibt es weitere Wetterphänomene, die in dem Stück auftauchen werden?
Generell ist unsere Bühne sehr auf das Thema Wetter zugeschnitten, deshalb ist die Bühne relativ schlicht und es gibt mehrere Gazen, also Vorhänge, auf die wir passende Bilder von vorne und hinten projizieren können. Zum Beispiel Blitze, denn das Gewitter spielt eine große Rolle. Unterstützt wird das Gesamtbild durch Donner, Nebel und Dunst, der sich flächig im Raum verbreitet. Ich hätte gerne einen echten Blitz im Stück gehabt, das geht mit Hilfe einer Tesla-Spule, aus der Plasma-Blitze empfangen werden können. Aber das ist für die Darsteller*innen auf der Bühne zu gefährlich.
Wird es auch regnen?
Über Regen hatten wir nachgedacht und ihn auch ausprobiert, aber der ist recht unbeliebt – weil ja dann alles nass ist. Das ist unter anderem für die Kostüme eine zu große Einschränkung in unserem Fall. Stattdessen haben wir uns für zwei verschiedene Schneearten entschieden: einen weißen und einen schwarzen, also Asche-Regen wie nach einem Vulkanausbruch.
Es ist ja gar nicht so einfach, das Natürliche in diesem ganz unnatürlichen, schwarzen Theaterraum wiederzugeben.
Das klingt alles ziemlich düster. Was ist mit der Sonne? Darf die auch mitspielen?
Ja, es gibt unter anderem eine Sequenz im Wald, die sehr lieblich ist.
Du bist Bühnenbildnerin. Ist "Wetter darstellen" ein klassischer Teil deines Jobs oder eher die Ausnahme?
Ich sehe das schon als großen Teil an, aber vielleicht liegt das auch an dem Anspruch, den ich an meine Arbeit habe. Es ist ja gar nicht so einfach, das Natürliche in diesem ganz unnatürlichen, schwarzen Theaterraum wiederzugeben. Aber eben eine der Möglichkeiten, die ich habe, um diesen Ort zu beleben.
Ist "Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung" deine erste Arbeit fürs Münchner Volkstheater?
Während meines Studiums war ich bereits an zwei Stücken am alten Haus in der Brienner Straße beteiligt und letztes Jahr habe ich schon einmal mit dem Regisseur Philipp Arnold zusammengearbeitet für "Unsterblichkeit oder: Die letzten sieben Worte Emilia Galottis".
"Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung" nach Mary Shelley und Thomas Melle in einer Fassung und in Regie von Philipp Arnold ist ab dem 23. Mai 2025 auf Bühne 1 des Münchner Volkstheaters zu erleben.