"Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt für dieses Stück."

Intendant Christian Stückl über die Auseinandersetzung mit den Geschlechtern, warum er Schubladen doof findet und warum es ohne Männer halt auch nix ist.

Autorin: Julia Rothhaas

Wie sind Sie auf das Stück "In den Gärten oder Lysistrata Teil 2" der Autorin Sibylle Berg gestoßen?
Ich habe von Sibylle Berg noch nicht so viel gelesen, aber dieses Stück schwirrte schon eine ganze Weile durchs Haus. Wir haben ein paar Mal darüber gesprochen, also dachte ich: Die ganzen Fragen, die wir uns zum Thema Gleichberechtigung stellen, zum Gendern, sollten wir uns mal aus ihrer Perspektive angucken. Die Autorin und ich sind in einem ähnlichen Alter, aber wir haben einen völlig unterschiedlichen Hintergrund, nicht nur aufgrund unseres Geschlechts. Mich damit auseinanderzusetzen und das gemeinsam mit einem jungen Team, fand ich spannend.

Wir alle sind ständig von Diskussionen umgeben.
Christian Stückl (c) Gabriela Neeb

"In den Gärten" spielt in einer durchgegenderten, politisch völlig korrekten, veganen Welt in der Zukunft. Was passiert dort?
Die Menschen besuchen ein Museum und schauen sich darin die Vergangenheit an, also die Welt, in der wir heute leben. Die Männer dieser Zukunft sind inzwischen ausgestorben, niemand erklärt den Frauen dort mehr ständig die Welt. Sie werden nicht mal mehr für die Fortpflanzung gebraucht: Die Kinder kommen aus dem Kühlschrank.

Das klingt ziemlich trist.
Ja, so sehen das die Frauen im Stück auch. Sie leben jetzt zwar in einer Welt, die sie sich so gewünscht haben, aber merken: Ist doch ein bisschen fad alles, der Kampf zwischen den Geschlechtern geht ihnen ab. Insofern bekennt Sibylle Berg am Ende des Stücks, dass sie sich nicht die Abschaffung des Männlichen wünscht, sondern: Ohne den Männern ist es halt auch nix.

Das Stück heißt "In den Gärten", das klingt eigentlich idyllisch.
Der Rundgang durch das Museum führt durch die Vergangenheit und damit durch sieben Gärten, die für sieben klassische Phasen zwischen Mann und Frau stehen, nach dem Motto: verliebt, verlobt, verheiratet, bis hin bis zu geschieden, wie in dem Kinderspiel. Darin sind die Rollenbilder noch so, wie wir sie heute kennen. Die Besucher im Museum wollen verstehen, was "früher" war, was funktioniert und wo man sich gerieben hat. Und ob es nun wirklich besser ist.

Was hat Sie veranlasst, das Stück jetzt zu inszenieren?
Wir alle sind ständig von Diskussionen umgeben. Da geht es um die Stellung der Frau in der Gesellschaft, dann hört man, wie Markus Söder das Gendern an Schulen und in Behörden in Bayern verbietet, wie die AfD wiederum mit dem Thema umgeht, wie viel Angst und Unsicherheit überall herrscht. Also habe ich mir gedacht: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt für dieses Stück.

Anton Nürnberg, Lena Brückner (c) Arno Declair
Aber will man Menschen wirklich nach ihrer Hautfarbe bewerten oder nach ihrer Sexualität?

Sie haben den ganzen Tag mit einem sehr jungen Team zu tun. Welche Diskussionen gab es während der Proben zum Stück?
Ich würde mich trauen zu sagen: Keiner unserer Schauspieler*innen wünscht sich eine Zukunft, die genauso aussieht wie "In den Gärten". Aber natürlich waren wir bei dem ein oder anderen Thema auch mal unterschiedlicher Meinung. Es gibt zum Beispiel Begrifflichkeiten, die ich einfach nicht mag, etwa "PoC", People of Color, weil das aus einer weißen Perspektive herausformuliert ist. Oder "LGBTQ+", da wird eine Schublade aufgemacht, in die alles geschmissen wird, was nicht heterosexuell ist. Aber will man Menschen wirklich nach ihrer Hautfarbe bewerten oder nach ihrer Sexualität? Das finde ich einfach dämlich. Aber es scheint, als ob viele heute genau diese Schubladen brauchen und suchen. Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen: Nicht allen jungen Menschen sind diese Themen gleich wichtig. Da wünsche ich uns allen etwas mehr Gelassenheit. Aber das klingt jetzt alles so ernst: Eigentlich ist das Stück wirklich sehr lustig!

"In den Gärten oder Lysistrata Teil 2" von Sibylle Berg in der Regie von Christian Stückl ist ab dem 24. März auf der Bühne 1 im Münchner Volkstheater zu sehen.