"Ich habe versucht, mir das Horrorgenre durch eine feministische Linse anzusehen."

Ein Gespräch mit Svenja Viola Bungarten, der Autorin von "Maria Magda", über bewusste Provokation, das Schöne an Fehlern und warum ihren Großeltern die Zusammenfassung des Theaterstücks gereicht hat.

Interview: Julia Rothhaas

Dein Stück "Maria Magda", das am 2. März im Münchner Volkstheater Premiere feiert, gilt als "feministisches Horrorstück". Was kann man sich darunter vorstellen?
Ich habe versucht, mir das Horrorgenre durch eine feministische Linse anzusehen. Gängige Horror-Geschichten arbeiten mit Ängsten, die stark durch den männlich gelesenen Blick funktionieren. Hier aber habe ich das Monster umbesetzt – mit dem größtmöglichen Gegenteil eines Monsters, nämlich Gott. Damit wollte ich zeigen, dass etwas so positives Besetztes für bestimmte Menschen genauso schrecklich sein kann wie für andere die Hexe. Mir ging es um Umkehrung und Provokation, um sich von dem Genre zu emanzipieren, also auch von internalisierten Ängsten vor bestimmten Frauenfiguren.

Was für Figuren meinst du?
Zum Beispiel, wenn ein Monster in einem Film weiblich besetzt ist. Es gibt unglaublich viele Hexen, hässliche, entsexualisierte Alte oder seltsame Geistermädchen. Klar, man ist natürlich lieber das Monster als das Opfer. Aber das Monster muss immer besiegt werden und auf eine brutale Art und Weise sterben. Gleichzeitig greift mein Stück auch die Hexenverfolgung auf, die viel größere Aufmerksamkeit bräuchte und in der Geschichtsschreibung neu verankert werden müsste.

Svenja Viola Bungarten (c) Lea Hopp
Es geht darum, den glitch, also den Fehler, als Korrektur eines Systems zu sehen und nicht als Mangel.
Svenja Viola Bungarten

Im Zusammenhang mit deinem Stück stolpert man auch über den Begriff "Glitchfeminism". Kannst du den erklären?
Der Begriff basiert auf einem Essay der US-amerikanischen Kuratorin und Autorin Legacy Russell. Darin geht es unter anderem darum, den glitch, also den Fehler, als Korrektur eines Systems zu sehen und nicht als Mangel. Den Fehler also mit schöpferischem, subversiven Potential aufzuwerten. Dieses ermächtigende Prinzip gefällt mir sehr.

Was wäre ein solches Beispiel in deinem Stück?
Geglitscht wird auf jeden Fall in den Enden.

Das Stück hat mehr als ein Ende?
Es gibt sechs Enden, es könnten allerdings auch 16 oder 23 sein. Fürs Theater musste ich mich etwas beschränken, doch man könnte es ins Unendliche erweitern. In "Maria Magda" liegt der glitch deshalb schon darin, dass man ein System, also das Theaterstück, bricht, das üblicherweise Geschlossenheit, Eindeutigkeit und Linearität verspricht. In diesem Fall eben die mehreren Enden. Ich fand das spannend, weil den Zuschauer*innen sofort klar wird: Da stimmt was nicht.

Jessica Weisskirchen auf der Probe zu Maria Magda.

Darf man sich das Ende, das einem am besten gefällt, aussuchen?
Die Enden müssen schon alle gespielt werden, aber gedanklich kann man sich eins aussuchen. Oder alle gleichzeitig denken. Oder man stellt sich vor, dass alle nacheinander passieren. Wie man möchte.

Du hast "Maria Magda" 2020 geschrieben, gespielt wurde das Stück zuvor in Münster und Heidelberg, jetzt inszeniert es das Münchner Volkstheater. Hast du die Proben jeweils verfolgt?
Ja. Es ist sehr spannend, mein Stück in den unterschiedlichen Aufführungen zu sehen, das ist wirklich der schönste Teil meines Berufs. Für die Münchner Inszenierung stand ich mit der Regisseurin Jessica Weisskirchen in Austausch, gleichzeitig habe ich Fragen der Schauspieler*innen beantwortet. Das war schön, aber auch herausfordernd.

Wieso?
Ich nutze Blasphemie als Mittel, das Wort "Fotze" taucht auf. Das ist nicht für jeden okay. Aber genau das soll es auch nicht sein: In Zeiten des deutlichen Rechtsrucks und dem damit einhergehenden Backlash in antifeministische Trends und Werte ist es umso wichtiger, eben dort zu irritieren, zu stören, herauszufordern. Diesen Widerstand muss ich aushalten können, aber das kann sich lohnen. Ich finde es aber auch total okay, wenn einem das Stück zu viel ist. Meine Großeltern etwa haben es nicht gelesen, die Zusammenfassung hat ihnen gereicht.

Die Vielfalt des Lebens vergisst man schnell, wenn man nur mit sich selbst beschäftigt ist.
Svenja Viola Bungarten

 

Du schreibst Theaterstücke, arbeitest für Film und Fernsehen und an einem Buch, außerdem beschäftigst du dich mit dem Thema Gaming. Brauchst du diese Vielfalt, um genug Kanäle zu haben für die Themen, die dich reizen?
Absolut, auch wenn ich mich zwischendurch schon frage, warum ich so viel gleichzeitig mache. Allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass ich auch Dinge erleben muss statt nur alleine am Schreibtisch zu sitzen. In den vergangenen Jahren habe ich beispielsweise eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin gemacht. Das rückt Dinge in Perspektive. Die Vielfalt des Lebens vergisst man schnell, wenn man nur mit sich selbst beschäftigt ist.

"Maria Magda" von Svenja Viola Bungarten in der Regie von Jessica Weisskirchen ist ab dem 2. März auf der Bühne 2 im Münchner Volkstheater zu sehen.