Virtualität ist Virtuosität

Wo geht jemand hin, der große Emotionen erleben will? In die Oper. Seit jeher erzählt sie mit der ihr eigenen Mischung aus Musik, Gesang und Text Geschichten über Liebe und Tragödien. Und das funktioniert nicht nur mit Klassik.

von Katinka Holupirek

Beat, Bass und Protest
Moment mal, eine Füchsin? Hier im Theater? Im glitzernden Goldoverall steht die junge Frau mit der schwarzen Fuchsmaske auf Bühne 2. Mit dem Mikrofon in der Hand performt die Rap-Artistin Antifuchs in allerbester Trapmanier: laut, rhythmisch, zornig. In bunten Kostümen mischt sie sich immer wieder unters Ensemble und pusht mit ihrem kompromisslosen Sound Tempo und Puls. Diese Musik passt perfekt zum Thema, das das Regieduo Tobias Frühauf und Philipp Wolpert in "cloud*s*cape" verhandelt: Schließlich geht nur dann ein Ruck durchs Land, wenn Wut im Spiel ist. Auf der Bühne verflechten sich Worte, Rhythmus und Töne zu einem großen Ganzen, das auf der Emotionsebene wirkt. Oper eben.

Gesamtkunstwerk Trap-Oper
Schon immer liebt es das musikalische Drama wort-, bild- und klanggewaltig. Für die Produktion von "cloud*s*cape" hat das Team deshalb alle Register gezogen, die für spektakuläre Eindrücke sorgen. Allein für die Musikerin Antifuchs wurden mehr als acht Kostüme geschneidert, von der glamourösen Abendrobe bis zum trendigen Kapuzenpulli.

Antifuchs (c) Gabriela Neeb

Die Bühnentechnik im neuen Theater wird komplett ausgenutzt. Bühnenelemente verändern den Raum, Videoanimationen und Livemitschnitte bannen den Blick und der Bass wummert im Magenbereich. "cloud*s*cape" wirkt auf alle Sinne. Damit das funktioniert, hat das Team hinter den Kulissen einiges zu tun. Das Timing ist auf die Sekunde genau vorgegeben. Das Geschehen auf der Bühne, Musik und Multimedia sind so exakt aufeinander bezogen, dass jeder Einsatz, jeder Auf- und jeder Abgang präzise sein muss. Selbst für Profis am Licht- und Mischpult bedeutet das eine echte Herausforderung.

Erweiterung in die Virtualität
Das Bühnenbild selbst offenbart in diesem Stück nur die halbe Welt. Sobald die Darsteller*innen Virtual-Reality-Brillen aufsetzen, werden sie zu Marionetten ihrer virtuellen Alter Egos, der Avatare (Grafikfiguren) auf einer riesigen Projektionsfläche. Und tauchen ein in ein digitales Universum, in dem sie selbst nicht mehr wissen, ob sie echt sind oder nicht. Damit klärt sich, worauf sich der Titel des Stücks bezieht: Wäre eine Flucht (engl. escape) aus der virtuellen Wolke (engl. cloud) nicht am besten, um sich endlich wieder selbst zu spüren?