Alte Schilder des Schlachthofs

Wie der Schlachthof in die Isarvorstadt kam

In München wurde im 19. Jahrhundert nahezu überall in der Stadt geschlachtet. Die Hygienezustände waren katastrophal. Der Bau eines zentralen Schlachthofs sollte Abhilfe schaffen.

Autor: Tobias Obermeier

Der neue Schlacht- und Viehhof wurde am Samstag den 31. August nachmittags um 2 Uhr in feierlicher Weise eröffnet.

schreibt die Münchner Gemeinde-Zeitung am 5. September 1878. Weiter heißt es: "Ein von der Metzgergenossenschaft veranstalteter Festzug mit Musik und einem von sechs schweren Mastochsen gezogener schön verzierter Wagen traf um die bezeichnete Stunde auf dem Platz vor dem Schlachthofe ein, wo sich eine äußerst zahlreiche Zuschauermenge eingefunden hatte."

Für Münchens Bevölkerung und ihre Stadtregierung war die Eröffnung des Schlachthofs nach zweieinhalb Jahren Bauzeit eine wichtige Sache. Bis dahin gab es nur wenige öffentliche Schlachtereien, die unter behördliche Aufsicht gestellt waren. Ein Großteil der Schlachtungen fand ohne Kontrollen in Wirtshäusern oder in Hinterhöfen statt. Und mit der Hygiene nahm man es damals nicht so genau. Schlachtabfälle landeten neben anderem Unrat und Fäkalien auf der Straße oder in Kanälen, die in den nächsten Stadtbach führten. Krankheiten wie Cholera oder Typhus verbreiteten sich innerhalb kürzester Zeit. München wurde im 19. Jahrhundert von drei schlimmen Cholerawellen heimgesucht: 1836, 1853 und 1873.

 

Beim Viehtrieb durch die Stadt kam es oft zu grausamen Szenen

Hinzu kam, dass die Schlachtereien im ganzen Stadtgebiet verteilt waren. Das Schlachtvieh musste durch die engen Gassen der Stadt getrieben werden. Dadurch kam es immer wieder zu Unfällen im Stadtverkehr. Der Architekt und Stadtbaurat Arnold Zenetti, der für den Bau des Schlachthofs zuständig war, deutet in seinem Planungsentwurf an, dass es dabei oft zu grausamen Szenen kam: "Bei dem Transport des Schlachtviehes durch die Straßen der Stadt ergaben sich manche Szenen, welche das menschliche Gemüt einerseits empören, andererseits aber auch verhärten; namentlich aber ist es die häufige Gelegenheit, Schlachtungen anzuwohnen, welche auf das jugendliche Herz nachteilig wirken."

Das alles muss im Kontext des massiven Bevölkerungswachstums betrachtet werden, der durch die zunehmende Industrialisierung der Stadt ausgelöst wurde. 1824 hatte München noch 62290 Einwohner. 1877 war die Bevölkerung schon auf 222000 gewachsen. Der Fleischkonsum stieg ebenso rasant. Laut Zenetti erhöhte sich die Anzahl der geschlachteten Schweine im gleichen Zeitraum von 17700 auf 67636.

Damals war der Münchner Viehmarkt noch in der Herrnstraße in der Altstadt. Einen zweiten Viehmarkt außerhalb der damaligen Stadtgrenze gab es auf den Ramersdorfer Lüften, wo heute der Rosenheimer Platz ist. Als der geschlossen wurde, platzte der Markt in der Herrnstraße aus allen Nähten. Kein Wunder, dass für das Schlachtgewerbe dringend eine Lösung gefunden werden musste.

 

Der Bau verzögerte sich Jahrzehnte lang

Aber der Bau des Schlachthofs, der erstmals 1827 von der königlich-bayerischen Regierung ins Auge gefasst wurde, verzögerte sich jahrzehntelang. Erst hatte die Eingemeindung der Vorstädte Vorrang. Dann fehlte das nötige Geld für den Bau. Als 1862 eine polizeiliche Vorschrift zur Fleischkontrolle eingeführt wurde, gab es für München eine Ausnahme. Dann herrschte Uneinigkeit darüber, ob nur einer oder doch vier auf die Stadt verteilte Schlachthäuser gebaut werden sollten.

Um sich Expertise zu holen, ging eine Delegation aus Stadtvertreten, darunter auch Zenetti, auf eine ausgedehnte Europareise. In Mailand, Genua, Turin, Genf, Zürich, Basel, Stuttgart, Berlin, Dresden und Wien besichtigte die Gruppe die damals modernsten Schlachthäuser. Die Erfahrungen ließen sie in die eigenen Pläne einfließen.

Die Lage unmittelbar an der Eisenbahn bildete die günstigste Gelegenheit für die Unterbringung des Schlachtviehmarktes unter gleichzeitiger Beseitigung des Viehtriebs durch die Stadt.

Nach ersten Überlegungen, den Schlachthof nahe der Reichenbachbrücke oder im Lehel zu errichten, einigte man sich auf den heutigen Standort an der Tumblingerstraße. Die Größe des Areals eignete sich perfekt für die zusätzliche Errichtung eines Viehhofs, da sich gleich nebenan der damalige Südbahnhof befand. "Die Lage unmittelbar an der Eisenbahn bildete die günstigste Gelegenheit für die Unterbringung des Schlachtviehmarktes unter gleichzeitiger Beseitigung des Viehtriebs durch die Stadt", so Zenetti.

Nach der Eröffnung wurde fortan nur noch dort geschlachtet. Und das ist auch heute noch so. Der Schlachthof wurde zwar im Laufe der Jahrzehnte mehrmals umgebaut und verkleinert, aber die Münchner Schlachter*innen schlachten nach wie vor in der Zenettistraße gleich neben dem Münchner Volkstheater.

 

Seit dem Umzug an unseren neuen Standort im Oktober 2021 beschäftigen wir uns in mehreren Teilen mit der Geschichte des Schlachthofs in der Tumblingerstraße und unserer neuen Nachbarschaft. Alle Artikel finden Sie hier auf unserem Blog.