Apropos. 2004 holt sich Luise Voigt den Westen ins Leben. Sie studiert Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen. "Einerseits ein Kulturschock", sagt sie heute, "der Westen und die 68er ..." Andererseits wird Heiner Goebbels einer ihrer Lehrer und ermutigt sie, die Freiheiten von Klang und Ton und Musik im Theater mitzudenken. Und als eigene Form zu nutzen. "Mein zweiter Initiationsmoment", sagt sie, und schon die Erinnerung daran genügt für ein Strahlen im Gesicht. Mit einem Hörspiel über die Wende- und Nachwende-Erfahrungen von Menschen in ihrer Heimatstadt Nordhausen probiert sie es 2005 erstmals aus. Sie spricht mit ihnen über das Leben, das Ankommen in der neuen Zeit. Über die Freiheit, die sie genießen. Und die Sicherheiten, die sie vermissen. Auch darüber, dass viele nun mit zwei Enttäuschungen zu leben haben. Das Damals und das Heute im Niemandsland Nordhausen. 2012 aktualisiert sie das Hörspiel noch einmal, unter dem Titel "Weltall-Erde-Mensch". So hieß das Buch, das bis in die 1970er Jahre jeder DDR-Jugendliche zur Jugendweihe erhielt. Als Luise Voigt geboren wurde, schenkte die DDR den jungen Menschen längst ein anderes Buch, "Der Sozialismus – deine Welt". Da war, sozusagen, die Mauer gleich im Titel eingezogen. Luise war fünf Jahre alt, als sie fiel, aber die wiederholte Beschäftigung mit dem Land, das es nicht mehr gibt, zeigt, dass Prägungen lange nachwirken. Eine davon sind die starken Ostfrauen, auf die Luise Voigt im Gespräch mehrfach zurückkommt, die arbeiten, studieren, Kinder erziehen, auf eigenen Beinen stehen. Oder eben fliegen, wie Margarita. "Solche Frauen", sagt Luise Voigt, "hätte ich gerne mehr in der Literatur."
Natürlich ist es kein Zufall, dass sie, die bis heute beides macht, Theater und Hörspiel, 2018 ein Hörspiel nach Annie Ernaux‘ Roman "Die Jahre" geschrieben hat. Starke Frauen gibt es überall. Es wird 2020 beim 2Deutschen Hörbuchpreis" als "Bestes Hörspiel des Jahres" geehrt.