"Nur ein genutztes Denkmal kann erhalten werden."

Ein Gespräch mit Denkmalschützerin Mechthild Keßler
Das neue Volkstheater grenzt an ein altes Wohnhaus. Dass beides zueinander passt, überwacht Mechthild Keßler, Denkmalschützerin in der Stadtverwaltung.

Interview: Christian Gottwalt / Fotos: Gabriela Neeb

Frau Keßler, Denkmäler gibt es eigentlich in München?

Mechthild Keßler: Wir haben rund 7000 Einzeldenkmäler und 80 Ensemble-Bereiche.

Ist der Schlachthof auch ein Ensemble?

Das Dreimühlenviertel in der Nähe, das ist kürzlich als Ensemble anerkannt worden. Der Schlachthof selbst besteht aus einzelnen Denkmälern, er wurde ja im Krieg stark zerstört. Der Neubau des Volkstheaters schließt direkt an ein denkmalgeschütztes Haus an der Ecke Tumblinger-/ Zenettistraße an.

Was ist an dem Kopfbau schützenswert?

Zunächst sein Alter. Der Bau entstand von 1876 bis 1878, und die Aufstockung stammt von 1925. Schon damals mussten alte Häuser mitwachsen, nicht anders als heute.

Die Winterstallungen, die gerade abgerissen wurden, waren nicht schützenswert?

Die waren aus der Nachkriegszeit und architektonisch von geringer Aussagekraft. Es wäre auch schlimm, wenn wir alles schützen würden. Die Stadt soll sich ja weiterentwickeln.

Ist der Entwurf aus Sicht des Denkmalschutzes gelungen?

Der Entwurf ist sehr gut gelungen, weil der Neubau Abstand hält und weil er eher mit moderater Höhe ausfällt, sodass das Eckgebäude weiter wirken kann. Und auch von der Materialität her geht er sehr schön mit der alten Bausubstanz um. Er nimmt nicht nur den historischen Backstein auf, sondern interpretiert ihn und versetzt ihn in die moderne Zeit. Also ganz wunderbar.

Schon damals mussten alte Häuser mitwachsen, nicht anders als heute.
© Gabriela Neeb
© Gabriela Neeb

 

Der Entwurf führt ja auch ein Gesims des historischen Eckbaus in einer horizontalen Linie weiter.

Das vermittelt wirklich den Respekt vor diesem Baudenkmal.

Und wirkt wie aus einem Guss.

Der Anschluss auf dem Gesims, das ist genau die Höhe, wo einst aufgestockt wurde. Der Ursprungsbau ging ja nur bis zum ersten Obergeschoss. Bis 1925 begann auf dieser Höhe das Dach.

Das heißt also: Das Eckhaus wurde im 19. Jahrhundert gebaut, im 20. aufgestockt und im 21. seitlich erweitert.

Ja, jede Epoche hinterlässt so ihre Zeichen. Jetzt kommt ein Torbogen hinzu, der mit einer einladenden Geste den Eingang markiert. Eigentlich steigt das Denkmal noch in seiner Wirkung.

Überstrahlt so ein prominenter Bau wie das neue Volkstheater nicht die anderen Gebäude?

Wenn man in eine gewachsene Struktur hineinbaut, muss man schauen: Was steht da? Und das dann aufgreifen. Man muss aber auch den Raum lassen, dass etwas Neues entstehen kann. Es soll ja das neue Volkstheater werden, das darf dann auch eine Adresse sein.

Verkraftet das alte Haus den Nutzungswandel vom Industrie- zum Kulturbau?

Hier kommen Künstlerwohnungen hinein und auch Räume für die Kinderbetreuung. Gerade historische Gebäude müssen genutzt werden. Nur ein genutztes Denkmal ist eines, das dauerhaft erhalten werden kann.