Die Drei von der Baustelle

130 Millionen Euro, 1000 Seiten Akten und ein gemeinsames Ziel
130 Millionen Euro, 1000 Seiten Akten und ein gemeinsames Ziel: ein neues Volkstheater zu bauen. Wie man es schafft, sich bei einem solchen Großprojekt nicht allzu sehr in die Haare zu kriegen, verraten die Drei, die im Rathaus dafür verantwortlich sind.

 

Frau Hingerl, Herr Küppers, Herr Markwardt, stimmt der Eindruck, dass das Bauprojekt des neuen Volkstheaters bisher erfreulich unkompliziert seinen Weg geht? Wenn ja, woran liegt das?

HANS-GEORG KÜPPERS: Alle ziehen an einem Strang, um für das Volkstheater eine neue Spielstätte zu bauen. Das ist ja eine tolle Aufgabe! Außerdem sind wir eine der wenigen Städte in Deutschland, die einen Theaterneubau realisieren. Wobei man die Ausgaben von 130 Millionen Euro auch begründen muss. Der Stadtrat sieht sie als Investition in unsere wachsende Stadt und ihr Kulturangebot. Und ich begreife sie auch als Bestätigung für eine sehr erfolgreiche Bühne. Im Schnitt sind 80 Prozent der Plätze besetzt – ein unglaublicher Zuspruch des Publikums.

ROSEMARIE HINGERL: Schön, wenn es am Ende unkompliziert wirkt! Im Vorfeld haben aber Verwaltung, Politik und das Münchner Volkstheater viel Arbeit in die erforderlichen komplexen Abstimmungen investiert. Die intensiven Debatten haben zum Erfolg geführt, dass der Stadtrat eine fraktionsübergreifende gemeinsame Entscheidung treffen konnte.

AXEL MARKWARDT: Der Eindruck ist absolut richtig. Es ist wirklich so, wie es Herr Küppers sagt. Bisher lief es völlig unkompliziert. Als Immobilien- und Grundstücksbesitzer kann ich das sehr gut beurteilen. Mein Referat tritt ja bei Projekten auf städtischen Grundstücken nahezu immer als Bauherr auf. Bei dem ein oder anderen Projekt braucht es eine oder zwei Runden mehr, um zu einem gemeinsamen Standpunkt und den notwendigen Stadtratsbeschlüssen zu kommen. Das ist auch klar, denn die Visionen passen ja nicht immer zu den vorhandenen Flächen, zur Nachbarschaft, zum Budget des Kämmerers oder zum politischen Willen.

 

Alle ziehen an einem Strang, um für das Volkstheater eine neue Spielstätte zu bauen. Das ist ja eine tolle Aufgabe!
Hans-Georg Küppers

Herr Markwardt, wie zufrieden sind Sie mit der Standortwahl?

MARKWARDT: Es gab ja verschiedene Ideen für den neuen Standort. Gemeinsam haben wir uns das Für und Wider der einzelnen Örtlichkeiten angeschaut. Ich persönlich fand schon immer das Viehhofgelände sehr reizvoll. Im Schlachthofviertel gibt es ja wirklich noch die Münchner Mischung. Darum passt das Theater genau dorthin. Ich bin mir sicher, dass wir so – auch im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung für das gesamte Viehhofgelände – wieder einmal mehr der drohenden Gentrifizierung ein Schnippchen schlagen können. Außerdem spricht auch die Innenstadtlage für diesen Standort. Die Besucher können mit dem Rad oder dem ÖPNV oder sogar zu Fuß ins Theater gehen, alles ist möglich.

 

 

Praktisch alle Beteiligten waren für den Viehhof als Standort. Gab es überhaupt ein Argument, das gegen den Viehhof sprach?

MARKWARDT: Ein klares Nein. In Zukunft soll ja auf dem restlichen Gelände neben Gewerbebetrieben und einer Kita auch unbedingt bezahlbarer Wohnraum entstehen. Hierzu gibt es ganz besonders mit meiner Kollegin, der Stadtbaurätin Elisabeth Merk, einen engen Schulterschluss. Gemeinsam nehmen wir natürlich die Stimmen ernst, die bei einer solchen Quartiersentwicklung Sorgen äußern. Das ist für uns eine Herzensangelegenheit.

 

 

AXEL MARKWARDT leitet das Kommunalreferat der Stadt München. Die Behörde kümmert sich um die Münchner Markthallen, den Abfallwirtschaftsbetrieb und ist die Eigentümerin der städtischen Grundstücke – weshalb Markwardt beim Neubau des Volkstheaters die Position des Bauherrn innehat.

Wie wird das neue Volkstheater das Schlachthofviertel verändern?

KÜPPERS: Das Viertel ist schon seit einigen Jahren ein kreativer Hotspot mit zahlreichen kulturellen Zwischennutzungen. Das Theater und sein Biergarten werden belebte und beliebte Orte sein, so wünsche ich es mir.

HINGERL: Das neue Volkstheater passt städtebaulich und architektonisch wie maßgeschneidert an diesen Ort. Der markante Torbogen lädt alle ein und setzt ein deutliches Zeichen im Stadtviertel. Der Komplex mit seinen Ziegelfassaden fügt sich wie selbstverständlich in die Nachbarschaft ein und könnte als neue Adresse ausdrucksstärker kaum sein.

MARKWARDT: Natürlich kommt mit dem Theater ein Besuchermagnet ins Viertel. Das kann aber auch dazu führen, dass die Besucher unsere typische „Münchner Mischung“ aus geförderten und frei finanzierten Wohnungen sehen und erleben können, wie die verschiedensten Menschen miteinander leben und arbeiten. Das ist einfach toll.

 

Herr Markwardt, müssen Sie jetzt einen neuen Platz für das Viehhof- Kino finden? Haben Sie schon einen?

MARKWARDT: Unsere Idee wäre, das Viehhof-Kino vorerst auf dem Gelände der Großmarkthalle zu ermöglichen. Sie sehen, wir sind dran. Bleibt nur noch abzuwarten, wie sich der Betreiber und der Stadtrat entscheiden.

 

Frau Hingerl, warum wurde eine fast 1000 Seiten umfassende Baubeschreibung für das Projekt erforderlich?

HINGERL: Zunächst musste das Kulturreferat zusammen mit dem Münchner Volkstheater und dem Kommunalreferat das Raumprogramm festlegen. Auf dieser Grundlagen hat das Baureferat dann die Baubeschreibung erstellt. Sie regelt vertraglich sehr detailliert, was und wie der Generalübernehmer planen und bauen muss. Das erfordert eben viele Seiten.

 

Die Sanierungskosten des Gärtnerplatztheaters stiegen von 71 auf 120 Millionen Euro, die des Deutschen Theaters von 45,7 auf 97 Millionen Euro. Was macht Sie so sicher, dass es in diesem Fall bei den geplanten 130,7 Millionen Euro bleibt?

HINGERL: Zunächst möchte ich vorausschicken, dass dies keine Projekte des Baureferates waren. Die jüngsten Kulturprojekte, die das Baureferat realisiert hat, waren die Generalsanierung des Lenbachhauses und der Neubau des NS-Dokumentationszentrums – beide termin- und kostentreu. Beim neuen Volkstheater hat der Generalübernehmer ein detailliert definiertes Angebot abgegeben. Er hat sich verpflichtet, das Theater schlüsselfertig zum festgelegten Zeitpunkt und zum vereinbarten Festpreis zu übergeben. Und er trägt dabei auch die üblichen Risiken.

 

Besteht bei einem Festpreis nicht die Gefahr, dass die Qualität leidet? Wie wollen Sie Baumängel verhindern?

HINGERL: Die detaillierte Baubeschreibung definiert die Qualität. Das Unternehmen hat anhand von Referenzen nachgewiesen, dass es die geforderte Qualität liefern kann. Darüber hinaus wird von uns fortlaufend die Qualität der Planung und der Bauausführung kontrolliert.

 

Gibt es etwas, das diesen ambitionierten Plan noch gefährden könnte?

HINGERL: Voraussetzung für das Gelingen eines Bauprojektes ist immer, dass sich alle Beteiligten an die einmal definierten und beschlossenen Projektanforderungen halten. Aber natürlich kann bei allen Bauprojekten trotz sorgfältiger Planung und Vorbereitung etwas passieren, das man nicht vorhersehen kann, zum Beispiel Überraschungen im Baugrund oder außergewöhnliche Wetterereignisse.

 

ROSEMARIE HINGERL kümmert sich als Baureferentin um den eigentlichen Bau des neuen Volkstheaters. Sie verantwortet das gesamte Verfahren: die Ausschreibung, den Vertrag mit dem Bauunternehmen, die Qualitätskontrolle. Ihr Job endet mit der schlüsselfertigen Übergabe des Hauses an das Kulturreferat.

Voraussetzung für das Gelingen eines Bauprojektes ist immer, dass sich alle Beteiligten an die einmal definierten und beschlossenen Projektanforderungen halten.
Rosemarie Hingerl

 

HANS-GEORG KÜPPERS ist seit 2007 Kulturreferent Münchens und damit zuständig für die Münchner Volkshochschule, die Stadtbibliotheken, die städtischen Museen und Theater sowie für die Münchner Philharmoniker. Aus dem Etat des Kulturreferates werden auch die Betriebskostenzuschüsse an die Theater bezahlt.

Herr Küppers, Sie sagten kürzlich, München solle durch seine Theater leuchten. Wird das neue Volkstheater (noch) heller leuchten müssen als das alte?

KÜPPERS: LED macht’s möglich (lacht). Spaß beiseite. Wir haben mit Christian Stückl einen Intendanten, dessen Augen immer leuchten, wenn er von neuen Stücken erzählt. Wir haben ein sehr engagiertes Theaterteam, das für seine Arbeit brennt. Und wir haben ein Publikum, das strahlt, wenn es ins Theater kommt. Heller geht es kaum mehr.

 

Der Betrieb des neuen Theaters wird sicher teurer werden. Woher wollen Sie das Geld dafür nehmen?

KÜPPERS: Die laufende Finanzierung des Theaterbetriebs ist immer Teil unserer Überlegungen. Der Neubau wird Einsparungen bringen, vom Energiebedarf und den Betriebsabläufen her und weil wir auf die bisher notwendige Anmietung weiterer Flächen verzichten können. Gleichwohl wird ein größeres Haus auch einen höheren Betriebskostenzuschuss benötigen.

MARKWARDT: Sobald der Bau fertig ist, lassen wir ein Mietwertgutachten erstellen. Das benennt dann die Kosten für den Betrieb der Immobilie. Außerdem erfahren wir dann auch, was wir für den Erhalt zurücklegen sollten. Was da genau auf uns zukommt, können wir noch nicht sagen. Bei einem so einmaligen Projekt haben wir auch keine Vergleichswerte.

 

Spielte bei der Entscheidung für den Neubau die überdurchschnittlich gute Auslastung des Volkstheaters eine Rolle?

MARKWARDT: Nicht nur. Das Theater ist ja bis heute in einem angemieteten Objekt untergebracht, das als Spielstätte nicht mehr genehmigungsfähig gewesen wäre, etwa wegen der Brandschutzanforderungen. Es wären Kosten auf die Stadt zugekommen, die wir lieber in eine eigene Immobilie investieren wollten.

KÜPPERS: Die hohe Auslastung zeigt auch, wie stark das Theater in der Münchner Stadtgesellschaft verankert ist. Das Publikum ist jünger als anderswo. Wir werden also noch lange mit treuen Fans rechnen dürfen.

Natürlich kommt mit dem Theater ein Besuchermagnet ins Viertel.
Axel Markwardt

In einem Satz – was ist für Sie die Seele, die Identität des Münchner Volkstheaters?

KÜPPERS: Der Name ist Programm. Es ist ein münchnerisch-internationales Theater und steht allen offen.

HINGERL: Christian Stückl hat dazu gesagt, dass er sich ein Theater "ohne Schwellenangst" wünscht, das sich "ohne gymnasialen Habitus" den Menschen "immer wieder öffnen muss". Diesen Wunsch erfüllen der Standort und die Architektur des neuen Theaters aus meiner Sicht wunderbar.

MARKWARDT: In die Seele des Volkstheaters habe ich noch nicht geblickt. Aber ich sehe, dass Christian Stückl mit seinem Team ein Spektrum an Stücken bietet, das den Zuschauern die Vielfalt der heutigen Theaterlandschaft zeigt und es schafft, wirklich alle Alters und Interessengruppen zu begeistern.

 

Spielen Sie mal Intendant. Mit welchem Theaterstück würden Sie die allererste Vorstellung im neuen Haus feiern?

KÜPPERS: Ich wünsche mir die Uraufführung "Was für ein Theater!" und dazu ein begeistertes Publikum.

HINGERL: Das Theaterspiel überlasse ich gerne denen, die es können. Ich denke, jeder sollte das machen, was er am besten kann. Deshalb bin ich Architektin und Baureferentin geworden und nicht Intendantin.

MARKWARDT: Wie wäre es mit "Jedermann"? Schließlich ist das Münchner Volkstheater ein Theater für jeden Mann und jede Frau. Oder mein Lieblingsstück des Theaters, "Der Brandner Kaspar".